Auch die Gründe für eine Umschulung auf die rechte Hand sind unterschiedlich, oft im Nachhinein nicht nachvollziehbar und zumeist eine Mischung aus den drei folgenden Faktoren:
• Einfluss von Bezugspersonen
Bis vor ca. 25 Jahren war es in Österreich üblich, allen
linkshändigen Kinder das Schreiben mit der rechten Hand zu lehren. Viele
Betroffene wissen zu berichten mit welchen Horrormethoden diese Umschulung der Schreibhand teilweise durchgeführt wurde. Eltern und LehrerInnen haben dabei, je nach eigenem pädagogischem Talent, unter anderem folgende Maßnahmen gesetzt: Einbinden der Hand, Festbinden der Hand an den Stuhl oder Körper, Eingipsen, Schläge auf die
linke Hand, wenn damit geschrieben wurde, Schimpfen, Bestrafen und Liebesentzug. In den Zeiten des Nationalsozialismus wurden LinkshänderInnen sogar als minderwertige Menschen degradiert.
Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Heute wird kaum mehr ein linkshändiges Kind in der Schule bewusst und direkt dazu aufgefordert, mit der rechten Hand zu schreiben. Aber die Ablehnung und generelle Ausmerzung des linken Handgebrauches beim Schreiben, aber auch beim Essen, Grüßen, etc., ist bei vielen Menschen im Unterbewusstsein tief gespeichert und wird noch immer von Generation zu Generation weitergereicht. Nach wie vor empfinden manche Erwachsene das linkshändige Halten von Stiften, Besteck und Werkzeug unreflektiert als sonderbar oder abnormal.
Selbstverständlich wird der Tisch für Rechtshänder gedeckt und vom linkshändigen Kind der Mut verlangt, sich Besteck und Glas so zu richten, wie es ihm angenehm ist.
Gut gemeint wird auch heute noch kleinen Kindern der Löffel in die rechte Hand gedrückt, mit dem Hinweis „So geht es besser…"
Beim Halten des Stiftes kommt es immer noch zu Versuchen, den Kindern die Vorzüge des Agierens mit der rechten Hand schmackhaft zu machen. Oft steckt dahinter der gut gemeinte Wunsch dem Kind Schwierigkeiten zu ersparen.
Werden kleine Kinder ständig dazu angehalten beim Grüßen die „richtige oder gar schöne" Hand zu geben, ziehen sie oft daraus den Schluss, dass eben eine Hand wichtiger und richtiger ist.
Zumeist werden jene sanften Umerziehungsversuche schon in den beiden ersten Lebensjahren durchgeführt, sodass dem Kind von Beginn an der Zugang zu seiner natürlich bevorzugten Seite abgeschnitten wird. In späteren Jahren fehlt den Betroffenen das Gefühl für ihre angeborene Präferenz. Der Zusammenhang zwischen der
Verdrängung der natürlichen Anlage und Schwierigkeiten in der Schullaufbahn und im Berufsleben ist für diese Menschen oft nur schwer zu finden. Nach den Ursachen für Erschöpfungssymptome, verschiedene Krankheitsbilder oder Identitätsprobleme wird oft vergeblich gesucht.
• Sanfte Umschulung durch Anpassung an die Gesellschaft
Darüber hinaus gibt es allerdings auch viele Kinder, die sich ganz freiwillig und ohne Beeinflussung auf den Gebrauch der rechten Hand umstellen, als Anpassungsmaßnahme an die rechtshändige Gesellschaft. Kinder zeigen oft ein starkes Nachahmungs- und Modellverhalten. Sie wollen keine Ausnahme sein, nicht negativ auffallen, sondern sich natürlich und unauffällig eingliedern und hoffen so auf Zuwendung, Akzeptanz und Anerkennung. Kinder, die sehr gut beobachten, sind besonders gefährdet.

Sie wollen es richtig machen und ahmen nach, was andere tun. So lernen kleine LinkshänderInnen sehr schnell ihren natürlichen Impuls zu unterdrücken. In der Folge verbergen sie ihre Linkshändigkeit und damit auch einen Teil ihrer Persönlichkeit. Bereits im 3. Lebensjahr greifen sie dann immer häufiger
mit der rechten Hand zu. Bis zum Schuleintritt sind viele dieser „PseudorechtshänderInnen" vom Laien kaum mehr
von natürlichen RechtshänderInnen zu unterscheiden. Allein die überraschenden Schwierigkeiten beim Schreiben lernen, Schulunlust oder Stressreaktionen in den ersten Schuljahren geben dann noch Hinweis auf die
Umschulung der Händigkeit.
• Ergonomie verleidet so manchem das Linkshändersein
Linkshändigkeit ist keine Behinderung - aber linkshändige Menschen werden durch die selbstverständliche Ausrichtung von Gebrauchsgegenständen für den rechtshändigen Einsatz
behindert !!!
Unsere Umgebung ist überwiegend so gestaltet, dass RechtshänderInnen darin gut zu recht kommen. Das betrifft linkshändige Kinder von klein auf.
Alltägliche Gebrauchsgegenstände sind so gestaltet, dass sie besser für den rechtshändigen Gebrauch geeignet sind:
Zum Beispiel diese nett gestalteten Häferl,
sehen mit der rechten Hand gehalten ansprechend aus.
Hält man sie mit links, so sieht man folgendes:
Die meisten Kindergärten besitzen zwar eine Linkshänderschere, diese ist aber häufig nicht frei verfügbar, sondern wird in einer Schublade verwahrt.
Selbstverständlich angeboten werden Rechtshänderscheren. Mit dem Linkshänderspitzer verhält es sich ebenso.
So manches Babyspielzeug forciert schon den rechten Handgebrauch.
Beim Fahrrad mit Rücktritt wird die einzige Handbremse selbstverständlich rechts montiert.
Das Resultat daraus ist:
- Linkshändige Kinder, die mit diesen Gegebenheiten schlecht zu recht kommen wirken ungeschickt
und werden als „linkisch" eingestuft.
- Andere wiederum wählen den Weg der Anpassung, sie lernen viele Tätigkeiten um auf
die rechte Hand. Somit haben sie keine Probleme mit den Gebrauchsgegenständen und können
sich in die dominierende Gruppe der RechtshänderInnen einordnen.
Folgeerscheinungen:
Gleichgültig ob freiwillige oder beeinflusste
Verdrehung der natürlichen Anlage: die
Gehirnfunktionen werden in jedem Fall getroffen, und es kommt sehr häufig zu negativen Folgeerscheinungen, die das ganze Leben beeinflussen können und die Bildungschancen erwiesenermaßen verschlechtern.
Wie massiv die Auswirkungen sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wobei vor allem die
Vernetzung der beiden Gehirnhälften einen großen Einfluss hat. Viele Menschen finden
einen Weg damit zu leben, durch den erhöhten Energieaufwand bleibt ihr Leben meist anstrengender
als das anderer Menschen. Kinder, die zusätzlich ein oftmals nur minimales Defizit in einem
Wahrnehmungsbereich aufweisen (z. B. visuelle oder akustische Wahrnehmung) leiden besonders stark
unter der Irritation durch die Umschulung.
Viele
Betroffene leben mit dem Gefühl, nicht das umsetzen zu können, was eigentlich in
ihnen steckt. Häufig besteht eine diffuse Ahnung, sich selbst nicht zu kennen und richtig
einschätzen zu können.